unmenschliche Menschen?

Der Filmemacher Matti Geschonnek hat anlässlich des 80. Jahrestages einen absolut sehenswerten Spielfilm über die Wannseekonferenz gedreht. Diese Konferenz sollte die "Endlösung" der Judenfrage, also letztlich die Ermordung von 11 Millionen europäischen Juden, vorantreiben. In der nationalsozialistischen Rassenlehre wurden Juden grundsätzlich als minderwertig und zudem gefährlich eingestuft.

Passend zum Spielfilm produzierte das ZDF auch eine Dokumentation. Die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer schaut sich darin die ländliche Villa an, die den Nationalsozialisten als Tagungsstätte diente. 

Frau Friedländer verlor im dritten Reich ihre gesamte Familie. Sie selbst konnte sich bis 1944 verstecken, wurde dann aber verraten, gefasst und nach Theresienstadt gebracht. Sie überlebte und wanderte 1946 in die USA aus. Nach dem Tod ihres Mannes und einigen Besuchen in der alten Heimat zog sie 2010 wieder zurück nach Berlin. Sie berichtet im stolzen Alter von 100 Jahren noch immer unermüdlich als Zeitzeugin von den Geschehnissen im Dritten Reich.

In der ZDF-Dokumentation kommt Frau Friedländer auch im Park vor der Villa der Wannseekonferenz zu Wort. Ihrer ausdrücklichen Meinung nach waren die Teilnehmer dieser Besprechung „keine Menschen“.

Angesichts der Lebensgeschichte von Frau Friedländer, die vom unfassbar kaltblütigen nationalsozialistischen Massenmord geprägt wurde, ist diese Äußerung durchaus verständlich. Aber bei allem Respekt für das Leid, welches Frau Friedländer persönlich erfahren hat, und bei allem Dank für ihren unermüdlichen Einsatz als Zeit-Zeugin, kann man das so nicht stehen lassen.

Die Würde auch dieser längst verstorbenen Menschen ist ebenso unantastbar wie die unserer Zeitgenossen. Weder den Opfern noch den Tätern der damaligen Zeit konnte und kann das Menschsein grundsätzlich abgesprochen werden. Es gilt vielmehr zu verstehen, unter welchen Umständen eine Gruppe geistig und seelisch gesunder Menschen in sachlich-manierlicher Art und Weise über die geplante Ermordung von 11 Millionen Menschen diskutieren konnte, ohne die Konferenz zutiefst beschämt abzubrechen.

Das Ziel dieser Überlegungen muss es sein, derartige Umstände in Zukunft sicher zu verhindern. Auch hierfür ist es hilfreich, die damaligen Täter als normale Menschen zu begreifen.

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