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equal pay day - das Ende der Wetten?

Manche Tage haben etwas Besonderes. An einigen wird gefeiert, an anderen wird gemahnt. Die Zahl der  besonderen Tage steigt kontinuierlich. Seit wenigen Jahrzehnten hat sich auch der Equal Pay Day dazu gesellt. An diesem Tag soll daran erinnert werden, dass Frauen weniger verdienen als Männer. 

Der Equal Pay Day wurde 1966 in den USA geschaffen. Von dort aus hat er sich rasch verbreitet. Auch in allen EU-Ländern wird mittlerweile berechnet, bis zu welchem Tag Frauen komplett umsonst arbeiten würden, wenn sie anschließend gleich entlohnt werden würden wie die Männer. Da jedes Land seine Eigenheiten hat, gibt nun 27 Equal Pay Days in der EU.

Der deutsche Equal Pay Day wurde erstmals im Jahr 2009 berechnet. Damals wurde er auf den 20.03. gelegt. Seither ist er durchschnittlich um einen Tag pro Jahr nach vorne gewandert. Doch dieses Tempo scheint manch einem unerträglich. Nicht jeder will weitere 66 Jahre auf eine gleiche Bezahlung von Männern und Frauen warten. Denn erst im Jahr 2089 wäre der Equal Pay Day am Neujahrstag, wenn die Schlagzahl gleich bleibt.

Wenn viele Länder ihre eigenen Equal Pay Days berechnen, so lässt sich eine Art Rangfolge erstellen. Deutschland findet sich in der EU auf dem viertletzten Platz. Vorne liegen (in dieser Reihenfolge) Polen, Italien, Slowenien, Rumänien und Luxemburg. Nur Österreich, Estland und Litauen liegen noch hinter Deutschland.

Doch vor die Therapie - so sagt man in der Medizin - hat der liebe Gott die Diagnose gesetzt. Wer also konstruktiv mitdenken will, der braucht noch ein paar Informationen. Wie berechnet sich das Datum des deutschen Equal Pay Day? Welche einzelnen Komponenten tragen dazu bei? Was sagt er eigentlich aus. Ist die rumänische Frau um so viel gleichberechtigter als die deutsche? Es kann kaum verkehrt sein, neben einem "gerechten" Zorn auch einen analytischen Blick zu riskieren.


Zunächst entspricht das Datum des Equal Pay Day eins zu eins der sogenannten Gender Pay Gap, welche den durchschnittlichen Verdienstunterschied zwischen Männern und Frauen beschreibt. Will man wissen, wie dieser Wert zustande kommt, so wendet man sich am besten an das statistische Bundesamt. Denn auf dessen Definitionen und Berechnungen basieren sowohl das Datum des Equal Pay Day als auch der zugrundeliegende Wert der Gender Pay Gap.

Bei der Gender Pay Gap werden nur abhängige Beschäftigungsverhältnisse, untersucht, also keine selbstständige Tätigkeiten. Außerdem bleiben einige Bereiche unberücksichtigt, z.B. die Land- und Forstwirtschaft, die Fischerei, die öffentliche Verwaltung, die Verteidigung und die Sozialversicherung. Auch Unternehmen mit weniger als 10 Angestellten werden ignoriert.

Man könnte sich fragen, ob die Vernachlässigung dieser Bereiche das Ergebnis verzerrt. Schließlich assoziiert man mit Arbeitern in der Landwirtschaft und Fischerei eher schlecht bezahlte Männer als schlecht bezahlte Frauen. Und im öffentlichen Dienst, einem vermutlich sehr großen Sektor, könnte man sich eine Gleichbehandlung von Männern und Frauen gut vorstellen.  


In einem ersten Schritt erhebt das statistische Bundesamt jedenfalls den durchschnittlichen Bruttostundenlohn von Frauen und Männern, ungeachtet des Berufes, des Karrierelevels oder der Qualifikation. Dabei kommt heraus, dass der durchschnittliche Bruttostundenlohn der Frauen aktuell um ca. 18% unterhalb des durchschnittlichen Bruttostundenlohns der Männer liegt. Diesen Wert nennt man die unbereinigte Gender Pay Gap. 

Die unbereinigte Gender Pay Gap ist eine grobe Zahl. Dennoch ist sie die Grundlage des Equal Pay Day. Die Umrechnung ist unkompliziert. Ein Jahr hat 365 Tage. 18% davon sind 66 Tage. Der Equal Pay Day 2023 lag am 07.03.2023, also am 66. Tag des Jahres.

Der Equal Pay Day gibt keine sehr differenzierte Auskunft. Er sagt zumindest nichts darüber aus,  ob Frauen für die gleiche Arbeit gleich bezahlt werden. Eine paar weitere Tücken: Wenn nur hochqualifizierte Frauen arbeiten gehen und die anderen zu Hause bleiben, so rückt der Equal Pay Day nach vorne. Sieht gut aus, auf dem Papier. Wenn niedrig qualifizierte Männer lieber nichts tun als zu arbeiten, so rückt der Gender Pay Gap nach hinten und suggeriert eine zunehmende Benachteiligung der Frau.

Das Statistische Bundesamt berechnet aber auch eine sogenannten bereinigte Gender Pay. Zur aktuellen Methodik finden sich dort allerdings eher spärliche Informationen. Das Ziel ist jedenfalls, herauszufinden, welcher Anteil des geschlechtsspezifischen Verdienstunterschiedes NICHT auf strukturelle Unterschiede wie Beruf, Branche, Beschäftigungsumfang, Qualifikation oder Karrierelevel zurückzuführen ist.

Auf dem Weg zu diesem Ziel gibt es allerdings relevante Hindernisse, wie das Amt selbst einräumt. Es fehlen beispielsweise Daten zu Erwerbsunterbrechungen, z.B. im Rahmen der Elternzeit. MIT diesen Daten wäre die bereinigte Gender Pay Gap geringer ausgefallen. Deswegen sagt das Amt wörtlich:

"Daher darf der Wert [Anmerkung: die bereinigte Gender Pay Gap] nicht mit Verdienstdiskriminierung gleichgesetzt werden, sondern gilt eher als "Obergrenze" für Verdienstdiskriminierung."

Die bereinigte Gender Pay Gap wird derzeit mit 7% beziffert. Nach der Einschätzung des statistischen Bundesamtes heißt das, dass Frauen (nur) aufgrund ihres Geschlechtes durchschnittlich höchstens um 7% schlechter schlechter bezahlt werden als Männer. Das entspricht der Aussage eines Arztes, dass sein Patient höchstens 3 schwere Krankheiten hat. 

Wenn man diese Aussage in einen neuen Equal Pay Day umwandeln würde, so wäre dieser bereinigte Equal Pay Day nicht mehr am 7. März, sondern irgendwann zwischen dem 1. Januar und dem 26. Januar. Genaueres wüsste man nicht. Jeder wäre frei zu vermuten, was ihm in den Kram passt.

Genau das machen die Leute. Aktivisten nehmen entweder gleich die unbereinigte Gender Pay Gap - oder sie geben sich bewusst bescheiden, nehmen die "strenge" Zahl, also die bereinigte Gender Pay Gap, verschweigen aber - oder wissen es gar nicht -, dass auch diese Zahl nur eine Obergrenze, ein noch mögliches Maximum darstellt..

Andere betrachten die Einschränkungen der Gender Pay Gap mit unverhohlener Häme und versuchen, mit ihrer Kritik an der Methodik jede weitere Diskussion zu ersticken. Es ist schwer, eine sachliche Diskussion zwischen diesen Extremen zu finden.

Nehmen wir an, die ideale und ultimativ korrekte bereinigte Gender Pay Gap wäre zumindest größer als Null. Das erscheint zumindest sehr wahrscheinlich. Wo lägen vermutlich die Ursachen? 


Zuerst könnte man sagen, woran es sicher NICHT liegt. Bei einem tariflich festgelegten Arbeitslohn gibt es z.B. keinen geschlechtsspezifischen Unterschied bei der Bezahlung vergleichbarer Tätigkeiten. Letztlich muss man sich vor allem die Tätigkeiten anschauen, bei denen das Gehalt zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer individuell ausgehandelt wird. Bei hochrangigen Managern scheint das z.B. üblich zu sein.

Die Beschäftigung eines Managers ist eine Art Wette auf seinen Erfolg. Die Firma setzt einen Betrag, nämlich sein Gehalt, und wettet darauf, dass der Manager mehr als diesen Betrag wieder hereinspielen wird. Einem vielversprechenden Bewerber wird man daher ein höheres Gehalt zahlen als einem Durchschnittskandidaten, oder als einem Bewerber, den man als eher Notlösung empfindet.

Auf welche Eigenschaften man wettet, bleibt jeder Firma überlassen und mag sich von Fall zu Fall  deutlich unterscheiden. Manche Firmen werden eher auf Härte und Unnachgiebigkeit setzen, andere auf die sogenannten Soft Skills, für wieder andere steht die Kontinuität und Verlässlichkeit ganz oben auf der Liste. 

Im Einzelfall können diese Überlegungen zu allen denkbaren Konstellationen führen: Ein Mann verdient weniger als ein anderer Mann, eine Frau verdient weniger als eine andere Frau, ein Mann verdient weniger als eine Frau, oder eine Frau verdient weniger als ein Mann.

Im statistischen Mittel wird es wahrscheinlich so sein, das Managerinnen weniger verdienen als Manager. Die Wirtschaft wettet also tendenziell eher auf die Männer. Das könnte dem Männerklüngel geschuldet sein. Es könnte aber auch damit zusammenhängen, dass - rein statistisch gesehen - Frauen eher "ausfallen", wenn sich Nachwuchs einstellt.

Um eine statistische Gleichbezahlung von Managerinnen und Managern zu erreichen, müsste das Kollektiv der Managerinnen aufzeigen, dass sie genau so selten ausfallen wie ihre männlichen Kollegen (also nicht wie der Durchschnittsmann!) - oder man müsste das Wetten verbieten und auch auf der Managerebene eine Gleichbezahlung per Gesetz erzwingen.

Und wenn man schon dabei ist, könnte man das Wetten auch in anderen Bereichen der Wirtschaft verbieten. Man könnte z.B. die Aktienkurse gesetzlich festlegen - denn bislang gründen diese auf den Wetten der Anleger.

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